Verlagswelt-Kompass

Für die meisten Leser ist es eher zweitranging, aus welchem Verlag ihr neues Lieblingsbuch kommt. Für Autoren hingegen ist es elementar: Welcher Verlag ist das beste Zuhause für mein Manuskript? Und vor allen Dingen: wie komme ich dorthin?


Der Weg zum Verlag ist keine mehrspurige Autobahn. Es ist eher ein ziemlich mühsamer Kletterweg in den Alpen: Steil, manche Pfade sind so voll, dass man nur langsam vom Fleck kommt, für andere braucht man Kletterausrüstung, die man sich mühsam zusammensucht. Man muss Umwege in Kauf nehmen, manchmal verläuft man sich und oft genug wird man überholt.

Aber ich möchte eines auch dazu sagen: Möglich ist es trotzdem. Und damit schließe ich den Weg nach „ganz oben“, zu den großen Publikumsverlagen, nicht aus. Man sollte sich nur darüber im Klaren sein, dass damit sehr, sehr viel Arbeit, Geduld, Kompromissbereitschaft und auch etwas Glück verbunden ist. Darüber hinaus sollte man sich die Frage stellen, welche Kletterpartie wirklich die beste für einen selbst ist. In Kleinverlagen werden wundervolle Bücher veröffentlicht, die eine herzliche und wertschätzende Leserschaft finden – es muss nicht der große Publikumsverlag sein.

Daher noch zwei Dinge vorab:

1.          Das Topic dieses Posts ist die Verlagswelt, das bedeutet aber absolut nicht, dass Selfpublishing keine valide Alternative wäre, über die es sich nachzudenken lohnt.

2.          Die Art des Verlags gibt nur bedingt Aufschluss über die Qualität des eingereichten Manuskripts (lyncht mich, aber ich habe schon grottigen Mist aus Publikumsverlagen gelesen und echte Perlen bei Kleinstverlagen)


Hier ein Überblick über die Themen, die ich beleuchten möchte:

„Kletteretappen“:

  • Kleinstverlag (z.B. Written Dreams, Federherz, etc.)

  • Kleinverlage mit Printprogramm (z.B. Drachenmond, Vajona)

  • e-Imprints der Großverlage (z.B. Impress by Carlsen)

  • Großverlage und ihre Print-Imprints (z.B. Lübbe mit LYX, S. Fischer mit Fischer Tor)

„Kletterhilfen“:

  • Bewerbung

  • Literaturagenturen

  • Stipendien & Literaturpreise

  • Marketing

“Absturzfallen”:

  • Druckkostenzuschussverlage

  • Re-Release

Bitte berücksichtige, dass ich aufgrund der Übersichtlichkeit des Kompass‘ nicht auf jeden Verlag und jedes Detail eingehen kann, da es sich hierbei um eine Momentaufnahme handelt und subjektiv gefärbt ist. Wenn dich ein bestimmtes Thema besonders interessiert, findest du mit einer gezielten Google-Recherche bestimmt nähere Informationen.


Kleinstverlage

Kleinstverlage sind Verlage, die i.d.R. nur von sehr wenigen Personen (häufig einer einzigen) geführt werden. Lektorat, Satz, Cover und andere Dienstleistungen werden von außen eingekauft (trotzdem entstehen den Autoren dafür keine Kosten!). Kleinverlagen steht dabei ein weniger großes Budget zur Verfügung als Großverlagen, dafür haben Autoren u.U. mehr Mitspracherecht.

Bücher erscheinen entweder ausschließlich als eBook oder als eBook & Print-on-Demand, es gibt keine feste Printauflage.

Manuskripteinreichungen überwiegend immer möglich, gegebenenfalls gibt es Bewerbungsphasen. Manche Kleinstverlage haben sich auf Nischengenres spezialisiert (beispielsweise queere Romance oder Horror) und bedienen dort einen festen Leserkreis.

Bücher aus Kleinstverlagen liegen (in aller Regel) nicht in Buchhandlungen aus, können aber beispielsweise dank Kindle Unlimited einer breiten Masse vorgestellt werden und dadurch an die Verkaufszahlen von Büchern aus dem Großverlag heranreichen. (Vgl. J. S. Wonda oder die Redhill-College-Reihe von Judith B. Carrol)

Leider gibt es in der Buchbranche nach wie vor große Vorbehalte gegenüber Veröffentlichungen in Kleinstverlagen (mehr noch als im Selfpublishing).

Tantiemen sind tendenziell für Debütautoren etwas höher als im Großverlag, dafür sind die Verkaufszahlen wegen der fehlenden Vertriebsmittel oftmals wesentlich niedriger (Ausnahmen wie oben genannte bestätigen die Regel). Es wird kein Vorschuss gezahlt. (Nähere Informationen zum Thema Vorschuss siehe unten > Großverlage).

 

Kleinverlage mit Printprogramm

(z.B. Drachenmond, Vajona, romance edition)

Es gibt Kleinverlage, die den Kinderschuhen entwachsen sind und ein festes Printprogramm auflegen. Sie sind auf Buchmessen mit größeren Ständen vertreten und versammeln Signierschlangen. Es gibt häufig ein festes Bloggerteam, Buchmerchandise (Buchbox, Buchkerze, usw.), o.ä. Für Buchcover, Satz und Co. gehen ggf. ein paar mehr Scheine über den Tresen als im herkömmlichen Kleinstverlag.

Vereinzelt (!) tauchen diese Bücher im lokalen Buchhandel auf.

Aus diesen Verlagen sind Autoren wie Stella Tack oder Bianca Iosivoni hervorgegangen, die inzwischen mehrmalige Bestseller sind. Verlage wie den Drachenmond Verlag würde ich daher als mögliches „Sprungbrett“ für den Großverlag beschreiben. Trotzdem sind Vorschüsse oder hohe Erstauflagen nicht zu erwarten.

Bewerbungen werden hier noch immer häufig direkt angenommen, trotzdem mag es helfen, in der Buchbranche schon einmal aufgetaucht zu sein, bspw. als Buchblogger, mit Veröffentlichungen im SP, Kleinstverlag, etc.

 

e-Imprints der Großverlage

(Impress by Carlsen und Co.)

Inzwischen sind auch Großverlage auf den e-Book-Train aufgesprungen und haben sogenannte e-only-Imprints ins Leben gerufen. Dort erscheinen eBooks, die es nicht ins Programm des Großverlags geschafft haben – das betrifft sowohl Lizenzeinkäufe aus dem Ausland als auch deutsche Autoren.

Diese Imprints sind eine der wenigen Möglichkeiten, sich direkt bei einem Publikumsverlag zu bewerben (ohne Literaturagentur).

Es werden üblicherweise keine oder nur minimale Vorschüsse gezahlt, eine feste Printauflage gibt es nicht. Die Tantiemen sind i.d.R. niedriger als im Printprogramm.

E-Imprints großer Verlage bemühen sich häufig bereits darum, sogenannte Nebenrechte zu vertreiben. D.h. ausgewählte Titel erhalten bspw. ein Hörbuch oder werden sogar übersetzt. Erfolgreiche Titel finden sich u.U. im lokalen Buchhandel. (Ein freundliches Hallo des Autors beim benachbarten Buchhändler mag helfen.)

Auch hier spielt der „Sprungbrettfaktor“ eine Rolle, da es in Ausnahmefällen durchaus möglich ist, dass ein Buch aufgrund der Thematik oder der überraschend guten Umsetzung ins reguläre Printprogramm rutscht bzw. der Autor mit einer nächsten Reihe direkt dort erscheint.

Es gibt e-only-Verlage mit ähnlich hoher Reichweite, die keinem Publikumsverlag zuzuordnen sind, dazu gehört bspw. dp (digital publishers). Dort mag die Option der Übernahme von der großen Print-Schwester wegfallen, es gibt aber durchaus Autoren, die Vollzeit für Verlage dieser Größe schreiben und damit nicht schlechter verdienen als in ihrem ursprünglich erlernten Beruf.

 

Großverlage (und ihre Print-Imprints)

Großverlage akzeptieren fast ausschließlich Bewerbungen aus Literaturagenturen (es ist möglich, sich auf herkömmlichem Wege zu bewerben, ich habe allerdings noch nie davon gehört, dass dies mit Erfolg gekrönt wurde).

Großverlage bieten grundsätzlich ein qualitativ hochwertiges Lektorat (in Ausnahmefällen – meist im Kinder- und Jugendbuchbereich – direkt vom hauseigenen Lektor, andernfalls als betreutes „Außenlektorat“), darüber hinaus Korrektorat, Cover, Satz, etc. Dazu kommt ein festes Printprogramm mit der Chance auf einen Platz in der Buchhandlung und Lizenzvermittlung. Dabei unterscheiden sich auch hier die Positionen der einzelnen Titel stark:

-          „Low Tier Titel“ werden in niedriger Auflage gedruckt, erhalten kein Marketing, werden nicht gesondert beworben, es erfolgt keine Pressemitteilung o.ä. Die Vorschüsse sind vergleichsweise gering. Wie im Kleinverlag müssen sich Autoren überwiegend selbst vermarkten (dazu mehr unten). Trotzdem können Low-Tier-Titel den Weg in die Spiegel-Bestsellerliste schaffen.

-          Als Mid-List-Titel gelten Bücher mit soliden Verkaufszahlen. Sie sind keine Bestseller, aber die Autoren haben einen festen Leserkreis und sind im Verlag gern gesehen. U.U. investiert der Verlag hier in einzelne Aktionen oder stößt sie von sich aus an, möglich wäre bspw. ein sogenannter Presseschwerpunkt oder eine Signieraktion.

-          Spitzentitel erhalten das volle Marketingprogramm eines Verlags. Nicht selten führt (auch) das zu Bestsellern.

Großverlage haben Vorschauen, die (u.a.) auf der Website des jeweiligen Verlags eingesehen werden können. Die Programme werden häufig viele Monate im Voraus geplant. Ein Buch, dessen Manuskript 2022 geschrieben wurde, mag erst 2024 erscheinen.

Autoren erhalten grundsätzlich immer Vorschüsse, die in ihrer Höhe jedoch stark variieren: Debütautoren erhalten zumeist vierstellige Beträge pro Manuskript, bei mehrmaligen Bestsellerautoren sind Beträge im sechsstelligen Bereich (in Einzelfällen auch darüber hinaus) möglich. (Vorschüsse sind – wie der Name schon sagt – Vorschüsse auf den zu erwartenden Gewinn aus dem Verkauf der Bücher. Erst, nachdem dieser Vorschuss eingespielt ist, erhalten Autoren i.d.R. halbjährlich Tantiemen je verkauftem Buch.

Vorschüsse, Tantiemen und weitere Vertragsbedingungen werden i.d.R. von der Literaturagentur ausgehandelt. Da Literaturagenturen ausschließlich auf Provisionsbasis arbeiten, sind sie oft daran interessiert, Vorschüsse möglichst hoch auszuhandeln (auch hier gilt: Ausnahmen bestätigen die Regel). Vorschüsse sind sichere Einkünfte und müssen nicht zurückgezahlt werden.

Großverlage bemühen sich neben dem Printbuch häufig auch um eine Rechteverwertung (Übersetzung, Verfilmung, etc.). In Einzelfällen wird das auch von Literaturagenturen übernommen.


Kletterhilfen:

Für Bewerbungen bei Verlagen oder Literaturagenturen benötigt man:

-          Anschreiben

-          Exposé

-          Vita

-          Geduld und gesunden Umgang mit Ablehnung und Kritik

Man sollte sich grundsätzlich mit fertigen Manuskripten bewerben („fertig“ schließt hier intensives Überarbeiten mit ein).

(Wenn ich eines Tages in der Zeit-Lotterie gewonnen habe, schreibe ich einen ausführlichen Blog-Post zum Bewerbungs-Thema. Es gibt allerdings im Web bereits eine ganze Menge Informationen dazu. :))

Literaturagenturen

… vermitteln Manuskripte an Agenturen, betreuen aber den Autor auch darüber hinaus in allen weiteren Fragen & Anliegen. Literaturagenten sollten grundsätzlich immer im Interesse das Autors handeln!

Mehr zu diesem Thema findest du in meinem Blogeintrag zum Thema Literaturagenturen.

Stipendien & Literaturpreise

Stipendien und Literaturpreise sind – neben dem finanziellen Effekt –auch mit Aufmerksamkeit verbunden. Auf Preisverleihungen findet sich häufig der ein oder andere Verleger oder Literaturagent auf der Suche nach einer neuen Erzählstimme.

Stipendien werden häufig vom Staat vergeben, vereinzelt auch von Stiftungen. Für Fantasy-Autoren ist bspw. das PAN-Stipendium interessant.

Bewerbungen stehen häufig jedem offen, manchmal wird eine vorherige Veröffentlichung vorausgesetzt.

Marketing

Wie oben angedeutet, sind Autoren oft darauf angewiesen, sich selbst um ihr Buchmarketing zu bemühen. Hier ein paar Tipps:

  • Social Media (siehe „Bookstagram“ oder “Booktok”), dabei sollte man beachten, dass SoMe nicht in erster Linie ein Werbe-Tool, sondern ein Networking-Tool (!) ist

  • Schreibcommunitys (wie FF.de – oder auch der Bundesverband junger Autoren oder die Schreibnacht)

  • Bookmerchandise, siehe Büchermädchen oder Bücherbüchse

  • Signieraktionen (bspw. in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Graff)

  • Zusammenarbeit mit Bloggern


Absturzfallen:

Druckkostenzuschussverlage

Sogenannte Druckkostenzuschussverlage bieten den Service eines regulären Verlags an (das kann Lektorat, Korrektorat, Satz, Druck, Vertrieb und Marketing miteinschließen), wollen dafür aber vorab (mit sehr hohen Summen) bezahlt werden. Die Qualität des Manuskripts spielt für sie daher keine Rolle, weil sie nicht auf die Einnahmen durch eine Leserschaft angewiesen sind. (Sondern mehr oder weniger ausschließlich durch den Autor bezahlt werden.)

Sobald jemand von euch Geld (nicht in Form einer Provision) verlangt und ihr euch das nicht ausdrücklich wünscht – lehnt bitte grundsätzlich ab. Kein seriöser Verlag und keine seriöse Literaturagentur verlangt vorab Geld für ihre Leistungen. Und es ist meine feste Überzeugung, das dem auch nicht so sein sollte.

Re-Release

Es ist sehr schwierig, Bücher, die schon einmal irgendwo veröffentlicht wurden (sei es auf FF.de oder im Self-Publishing), bei einem Verlag unterzukriegen. Ausnahmen mögen hier die Regel bestätigen, aber grundsätzlich empfehle ich, davon Abstand zu nehmen und sich stattdessen auf ein neues Buchprojekt zu konzentrieren.


Ich hoffe, ich konnte etwas Licht ins Dunkel bringen und wünsche dir ganz viel Erfolg bei der Verlags- bzw. Agentursuche!

Weiter
Weiter

Deleted Scene: Shelter Me